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Der Himmel

(Musik: Pachelbel's Canon in D - Solo Piano, Brian Crain) „Willkommen im Himmel!” Er blickte um sich. Es war einfach wunderschön. Wie in seinen Träumen. Eine Wolkenlandschaft. Alles war so weich und sanft. Seine Füße standen auf einer weißen Wolkendecke. Sie trug ihn, ohne dass er Kraft aufwenden musste. Feiner Nebel strich ihm freundlich über die nackten Füße. „Es gibt wirklich einen Himmel”, lachte er und schüttelte den Kopf, als hätte er gerade den echten Osterhasen gesehe

Die Frage nach dem Sinn des Lebens

Plötzlich lachte er laut auf. Er konnte nicht anders. Es überkam ihn völlig spontan. Zunächst spürte er ein leichtes Kribbeln tief in seinem Bauch. Innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde strömte es durch seinen ganzen Körper. Er war sich nicht einmal bewusst darüber, was in diesem Moment geschah. Es war eine Explosion, die nicht mehr zu stoppen war. Ein Lachen überschlug das nächste wie riesige Wellen im Ozean. Es war ein Tsunami, der durch eine Explosion tief in der Erde au

Der glückliche Mensch

Er war einfach glücklich.   Perspektive Der Text entfaltet seine Provokation durch radikale Reduktion. Er verspricht eine Geschichte, verweigert sie jedoch, da Glück kein Narrativ, sondern ein jenseits von Erklärungen liegender Zustand ist. Die extreme Kürze wird so zur Form gewordenen Aussage über die Unmittelbarkeit authentischen Glücks. Das Wort „einfach” trägt das ganze Gewicht. Es bedeutet sowohl „schlicht” als auch „bloß”, ein Glück ohne Grund, ohne Leistung, ohne Berec

Parallelwelten

Er blickt auf seine Hände. Sie waschen gerade weiße Teller. Die Bewegungen sind routiniert, im Körper verankert. Er beobachtet, wie schnell sie kreisförmig die Innenseite des Tellers mit einem Schwamm auswischen. Zuerst die Außenseite, dann, im richtigen Moment, auch die Innenseite. Einmal den Teller umgedreht, folgt die Rückseite. Den feinen Rand an der Unterseite des Tellers mit geschickten Bewegungen säubernd, damit auch die kleinen Essensreste erwischt werden. Der saubere

Ein pietätvoller Abschied

Ich musste schmunzeln. In meinem schwarzen Anzug, meiner schwarzen Hose, mit schwarzen, frisch polierten Schuhen und meinem weißen Hemd. Irgendetwas kam an die Oberfläche, was ich nicht unterdrücken konnte. Ein leichtes Kribbeln im Bauch. Das Gefühl, das Aufkommende nicht mehr ignorieren zu können. Aber es war jetzt einfach unpassend. Zum ersten Mal fühlte ich es, als ich das Schild am Eingang las: „Bitte seien Sie pietätvoll.“ „Pietät, das Pflichtgefühl“, hörte ich meine Sti

Memento Mori

(Musik: If today was your last day, Nickelback) „If today was your last day", hörte er das Lied im Hintergrund spielen. Er summte leise mit, ohne noch bewusst auf den Text zu achten. „And tomorrow was too late." Er zeichnete ein Gesicht. Mit dem Bleistift schattierte er gerade die Augen einer geheimnisvollen Frau, die ihn direkt ansah. Allein in der Wohnung sitzend, mit einigen Kerzen im Hintergrund, die flackernde Schatten an die Wand warfen. Die leicht verwelkten Blumen, di

Der letzte Tag

(Musik: Danit, Cuatro Vientos) Er stand auf, blickte verschlafen in den Spiegel, nahm die Zahnpasta, drehte den Verschluss auf, legte ihn zur Seite und nahm die Zahnbürste. Die einzelnen Borsten warteten auf die weiche Zahnpaste, die sanft auf sie aufgetragen wurde. Und schon schrubbten sie gekonnt über die Zähne. Vor, zurück, vor, zurück, von unten nach oben, von oben nach unten. Noch immer genauso, wie er es damals in der Schule gelernt hatte. Immer gut die Zähne putzen, da

Dolce Vita

(Musik: Fyrsta, Ölafur Arnalds) Er blickte auf seine großen, starken Arme. Muskulöse Unterarme, übersät mit dunkelgrünen Tattoos auf seiner dunklen Haut. Narben, eine andere Form von Tattoos, die ebenfalls für immer bleiben. Selten beabsichtigt oder geplant, aber jede eine Geschichte erzählend. Es war ein düsteres Gefängnis, kalt und nass. Wie in einem Film Noir. Die Kamera fährt den Gang entlang. Links und rechts Gitterstäbe, nur einzelne Lichtblicke dringen durch die Fenste

Der Sekundenzeiger

(Musik: Sacred Cacao, Sari Seramor) Der Wecker läutete wie immer um 7 Uhr. Es war Montag. Die letzte Woche war wieder einmal sehr intensiv. Es waren so viele Meetings angesetzt, dass er währenddessen aß und trank und technische Probleme vortäuschte, um kurz auf die Toilette gehen zu können. Auch der letzte Monat war intensiv. Eigentlich das gesamte Jahr. Oder waren es bereits Jahre? Sobald er in das Büro fuhr ergab das eine das andere. Dann gab es nur noch den Tunnelblick mit

Der Weltenwanderer

(Musik: The Sound of Silence, Disturbed) Er ging auf dem schmalen Grat zwischen den Welten. Erschöpft. Einen Schritt nach dem anderen. Die Hitze von der einen Seite, die Kälte auf der anderen Seite spürend. Er blickte auf seine rechte Hand. Wie viele Wunden er sah. Dunkle Asche, die seine zweite Haut geworden war. Darunter verbrannte und geschundene Haut. Lebendig, aber verletzt. Zerfetzt. Und seine linke Hand? Fein, gesund. Keine Narben, aber auch keine Geschichten. Er ging

Das richtige Leben

(Musik: End of the world, Kadmium) Er hatte alles richtig gemacht. Schon als Jugendlicher hatte er seinen Perfektionismus bemerkt, als er selbst eine ethische Abhandlung über das richtige Leben schrieb. Fast jeden Tag nahm er sich Zeit, um an seiner Schreibmaschine sein Pamphlet zu verfassen. Es klang sehr moralisch, idealistisch, beinah ritterlich. Er schrieb es für sich. In sich drinnen war er haltlos. Die Abhandlung sollte ihm Halt geben. Ihm fehlte ein klarer Nordstern. S

Native American

(Musik: Sound of Silence, Guus Dielissen) Lev wachte in seinem Tipi auf. Er kroch hinaus und spürte, wie die Sonne seine Nase kitzelte. Nachdem er sich einmal gestreckt hatte, sah er das Dorf vor sich. Bevor er sich selbst wirklich wahrnehmen konnte, bemerkte er, dass seine Mutter ihm bereits ein Fell um den Körper band. „Es ist kühl“, hauchte sie ihm liebevoll ins Ohr. Ihre Berührung dauerte etwas zu lange. Gerade so, dass es ihm schon wieder unangenehm wurde. Er war bereits

Luzides Leben

(Musik: Hey Ma, Sari Seramor) Er wacht in seinem Traum auf. Er war mitten in seinem nächtlichen Schlaf, den fortlaufenden Gedanken und Gefühlen. Doch dann wunderte er sich. Er blickte sein Gegenüber im Restaurant an. Eigentlich war alles normal. Er hatte seinen Freund schon lange nicht mehr gesehen. Es war ein angenehmes, vertrautes Gefühl, mit ihm an einem Tisch zu sitzen. Schon nach kurzer Zeit fühlte er sich mit ihm verbunden und besprach mit ihm auf einer tieferen Ebene,

Der leise Windhauch

Er las das Buch zu Ende. Er blätterte die letzte Seite um, legte seine Hände auf den Buchdeckel, atmete tief ein und aus. Mit geschlossenen Augen ging er noch einmal die Reisen durch, die er erlebt hatte. Er erinnerte sich daran, wie ihn schon die ersten Seiten in den Bann gezogen hatten. Das Buch hatte sich direkt an ihn gerichtet. Es hatte ihn im Innersten angesprochen, als sei es für ihn geschrieben worden. Er erinnerte sich daran, wie er durch ein Buchgeschäft gegangen wa

Die Flamme

(Musik: Enter One, Sol Seppy) Er schreibt an dem Report. Er kann es gut. Ein weiterer Bericht, genaue Analysen und eine klare Struktur. Das ist seine Rolle. Deswegen ist er hier. Die Feder in die Tinte steckend, mit präzisen Handgriffen. Die Feder streicht über das Pergament. Das leise Kratzen zwischen den Materialien, die schwarze Tinte, die sich mit dem Papier vermengt. Er atmet ruhig, aber oberflächlich. Er wirkt leicht gestresst. Aber er dient dem Herzog gut. Er wird zufr

Robotermagnete

(Musik: Lifetime, Eelke Kleijn) „Er braucht sie nicht mehr“, ging ihm durch den Kopf. Er erinnerte sich daran, wie er mit seinem Magneten vor ihr gestanden hatte. Er spürte diese unglaubliche Anziehung. Wenn er nichts unternahm, wurde er von ihr magisch, automatisch, magnetisch angezogen. Es war schwierig, Abstand zu gewinnen. Wenn er weggehen wollte, wurde er wieder zu ihr gezogen. Er erinnerte sich daran, dass es nicht immer so gewesen war. Am Anfang war diese Anziehung sch

Der Traum des Vaters

Er befand sich auf hoher See. Vor ihm spielten die Wellen einen dramatischen Tanz, angeheizt vom aufkommenden Sturm. Am Horizont waren dunkle Wolken zu sehen, die bedrohlich näherkamen. Der Wind fegte durch seinen gekräuselten Vollbart und zwang ihn, die Augen zu schmalen Schlitzen zu verengen. Er war hochkonzentriert, während die Gischt auf sein Schiff schlug und sich der Sprühregen über sein Gesicht verteilte. Die nächsten Stunden würden hart werden, aber er war bereit für

Das Ziel

Konzentriert blickte er zu Boden. Er spürte die glühende Hitze auf seinem Rücken. Seine Hände ruhten auf dem Boden, neben ihm verliefen die Linien seiner Laufspur. Die kleinen roten Sandkügelchen lagen still und würden auch nach dem Start noch an derselben Stelle verharren. Aber rundherum toste es. Zehntausende Menschen waren gekommen, um den 400-Meter-Sprint der Olympischen Spiele zu erleben. In dem heißen Land stand die Menge auf den Beinen, jubelte, applaudierte und skandi

Fluss des Lebens und Sterbens

(Musik: Love Letters to God, Nahko and medicine for the people) Er steht an ihrem Grab. Es sind so viele Gefühle gleichzeitig, dass er sich taub fühlt. Keines lässt sich aus der dichten und verwobenen Konsistenz herausschälen. Wie eine braune Farbe, die entsteht, wenn alle Malfarben gleichzeitig zusammengerührt werden. Ein braunes Gefühl. Aus allen Farben bestehend, aber keine sehend. Ein schwerer Klumpen zieht seine Eingeweide hinunter. Es ist scheiße. Es ist einfach scheiße

Abschied

(Musik: My Immortal, Nazareno Aversa) In seiner Hand befindet sich die Asche von ihr. Er steht direkt vor ihrem Grab. Er müsste seine Hand nur noch öffnen. Eine letzte Verabschiedung. So gut hat er sich darauf vorbereitet. Durchgedacht, vorgestellt und emotional abgeschlossen. Dacht er zumindest in seiner Vorstellung. Und jetzt steht er da. Eingefroren, bewegungsunfähig, mit trockenem Mund. Die Zeit aufhaltend, die er nicht vorbeigehen lassen will. Er spürt den leichten Wind,

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prof. Lukas Zenk

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