Der Weltenwanderer
- Lukas Zenk
- 9. Dez.
- 10 Min. Lesezeit
(Musik: The Sound of Silence, Disturbed)
Er ging auf dem schmalen Grat zwischen den Welten. Erschöpft. Einen Schritt nach dem anderen. Die Hitze von der einen Seite, die Kälte auf der anderen Seite spürend. Er blickte auf seine rechte Hand. Wie viele Wunden er sah. Dunkle Asche, die seine zweite Haut geworden war. Darunter verbrannte und geschundene Haut. Lebendig, aber verletzt. Zerfetzt. Und seine linke Hand? Fein, gesund. Keine Narben, aber auch keine Geschichten. Er ging weiter. Schritt für Schritt. Die Hitze auf der rechten Seite seines Gesichtes fühlend. Die warme Träne, die hinunterfloss, die er mit Stolz trug. Der Rebell, der kämpfte. Auf der linken Seite die starre Kälte. Eisiger Wind der Schönheit. Eine kalte Sonne, die über die Industrielandschaft schien.
Er ging weiter. Humpelte er? Er hatte einen geraden Blick. Ein starker Rücken, der ihn trug. Bevor er den Blick nach rechts richtete, wusste er bereits, dass sich sein Kopf bewegen würde. Er hatte nur Angst, alles wiederzusehen. Eine zerstörte Stadt. Eingestürzte Häuser. Ruinen einer schönen Vergangenheit. „Wie viele Bomben sind wohl eingeschlagen", fragte er sich leise. Er konnte sie noch hören. Er konnte sich noch daran erinnern, wie er mit seinen Freunden in der Straße gespielt hatte. Sie kamen so leise. Ein kaum hörbares Rauschen, das durch den Wind zog. Ein Windhauch. Ein Windhauch, der die Samen der Pusteblume in die Höhe begleitete, zusammen mit dem Lachen der Kinder. Wie oft sie ihnen hinterhergelaufen waren. Den fliegenden kleinen Schirmchen. Vielleicht war es der evolutionäre Grund der Pusteblume, den Kindern ein Lächeln zu schenken. „Jedes Mal, wenn sie meine Samen in die Welt verteilen", dachte sie sich, „werden sich die Kinder darüber freuen".
Vielleicht war ihr primärer Grund, nicht als Spezies weiterzuexistieren. Vielleicht war sie vor allem für das Lächeln entstanden. Ein lebenslanges Warten als Blume, bis endlich der Windhauch der Kinder kam. Zunächst war es für sie etwas irritierend, dass dieser Wind so viel stärker war als die Winde zuvor. Am Anfang noch etwas zögerlich, die lang herangereiften Samen wirklich loszulassen. Alle potenziellen eigenen Kinder fliegen zu lassen. Aber dann, in die großen Augen der Kinder blickend, die angestrengt ihre Luft auf die Blume bliesen, gab sie nach. Sie ließ sie ihre Samen liebevoll gehen, ließ sie fliegen, in die Ungewissheit des Lebens. „Guten Flug“, rief sie ihrer nächsten Generation nach. Ein Gefühl unendlicher Glückseligkeit durchströmte sie, als sich die Gesichter der Kinder veränderten. Von angestrengtem Pusten zu erlösendem Lachen und dem Hinterherlaufen der Samen. Ein Flug in eine neue Zukunft.
Doch der Windhauch der fliegenden Bomben hatte ein anderes Ziel. Der Kopf der Kinder drehte sich noch gen Himmel, als sie den brutalen Stahlkörper erschrocken erblickten. Und dann kam die Explosion. Das gleißende Licht, das Menschen erblinden ließ. Die Schallwellen, die sämtliche Körper wegschleuderten. Die verstummten Schreie im Augenblick der Verwüstung. Das Brechen der Glasscheiben. Die scharfen Splitter am Boden. Die Betonwände, die im selben Moment des Einschlags aufgaben. Einstürzten. Zusammenbrachen. Und dann, für einen kurzen Moment, diese fürchterliche Stille. Bis die zerstörte Welt wieder die Augen öffnete. In diesem Augenblick nahm sie den tiefen Schmerz wahr. Die zerfetzten Gliedmaßen. Die zerbrochenen Herzen. Die zerstörten Häuser. Der unendliche Schmerz beim Aufwachen in den Alptraum der Realität. Und der plötzliche Schwenk in die Taubheit. So viel Schmerz, dass Gefühllosigkeit wie Balsam wirken wollte. Suchende Blicke in der Orientierungslosigkeit. Verzweiflung angesichts der schrittweisen Erkenntnis des Verlusts. Verlust von sich selbst. Von anderen Menschen. Von dem gerade noch vorhandenen Leben. Der erste Einschlag ist der schlimmste, heißt es. Er befördert dich in eine andere Welt. In die Welt des Krieges. Die Tage, Wochen, Monate und Jahre danach waren die Fortsetzung dieses ersten Einschlags. Sie hatten ihn irgendwie erwartet, aber sie konnten ihn sich nicht vorstellen.
Wie einsam er als Kind war. Manche Kriege schweißen Menschen zusammen. Andere reißen sie auseinander. Er wurde zerrissen. So wie seine Haut in Fetzen an ihm herunterhing, so hing auch sein Leben in Fetzen. Offene Wunden, die nicht mehr heilen wollten. Er war der Schatten seiner selbst. Gesichter, die zu Fratzen wurden. Es war das Chaos, das jeden Zusammenhang auseinanderriss. Keine Zusammenhänge mehr. Tohuwabohu. Eine wüste, leere, formlose und öde Welt. Chaos. Ein formloser und leerer Raum.
All das gestaltete Leben wurde auseinandergerissen. Das Feuer, das zuvor für wärmende Gemütlichkeit gesorgt hatte, wurde zu einer vernichtenden und zerstörenden Energie. Seine Kleidung war zerrissen. Seine Schuhe, die seine Füße schützen sollten, waren zerfetzt. Er schleifte nur noch eine halbe Sohle nach. Eine Welt, die zerstört wurde. Zerrissen und substanzlos. Er fühlte seine Teile in der Stadt verstreut. Sie war kein sozialer Organismus mehr. Düstere Leere. Und der tägliche Versuch, irgendwo etwas Essbares oder Trinkbares zu finden. Untote, die durch die gestorbene Stadt hausten, um ihr Leben noch einen weiteren Tag zu verlängern. Neben so vielen Leichen. Neben so viel Zerstörung, an die man sich irgendwann gewöhnte. Taub wurde. Eine weitere verwesende Leiche, die von Raben gefressen wurde. Er sah seine eigene Zukunft in diesen materiellen Resten von anderen Menschen. „Und irgendwann werden auch mich die Raben und Hunde fressen", dachte er und ging erschöpft weiter. Willenlos. Dem Überlebensinstinkt seines Körpers folgend.
Langsam wandte er seinen Blick von der rechten Seite wieder ab. Traurig. Sein Bein war noch immer gezeichnet von dieser Vergangenheit. Wie lange er dort gelebt hatte. Seine gesamte Kindheit. Er sah sich noch, wie er als junger Erwachsener die ersten Schritte aus diesem Chaos unternahm. Irgendetwas zog ihn aus der zerstörten Stadt heraus. Es war kein klarer Gedanke. Vielleicht waren es einfach die Sonnenstrahlen, die er am Horizont sah. Die Hoffnung, dass es ein anderes Leben gab. Wie viel Anstrengung er aufbrachte. Es war ein ewiger Weg. Aber er hatte auch nichts zu verlieren. Wenn man sich selbst verloren hat, verliert man auch die Angst um das eigene Leben. Irgendwann kam er an genau diesen Weg, auf dem er jetzt ging. Er blickte hinunter. Der Scheideweg zwischen den Welten.
Er atmete auf. Auch damals atmete er nach einer Ewigkeit wieder auf und spürte einen Windhauch. Er spürte die tiefe Schwere, aber nach langer Zeit auch wieder einen Hoffnungsschimmer. Er sah auf der anderen Seite des Weges die neue Stadt vor sich. Sauber. So unglaublich sauber. Gab es hier überhaupt Staubkörner? Er humpelte hinein. Hochhäuser aus Stahlbeton und Glas ragten in den Himmel. Glänzend, klar. Bäume, die ästhetisch auf den Seiten der Straßen angepflanzt worden waren, säumten die Promenaden. Die Menschen gingen aufrecht. Sie trugen frisch gebügelte Kleidung. Ihre Augen waren nach vorne gerichtet. Gerade, stramm. Irgendwie gingen alle etwa gleich schnell. Schön, auf ihre ganz eigene Art und Weise.
Er erinnerte sich an den ersten Windhauch, als er diese neue Welt betrat. Alles war so anders. Es gab keine Pusteblumen. Er spürte lediglich einen leichten, stetigen Wind. Nicht einmal einen Hauch. Es war der Wind, der eine neue Phase in seinem Leben einläutete.
Ein rhythmischer, kontrollierter Wind. Angenehm, klar, strukturiert. Er war genau so stark, dass die Fahnen vor den Hochhäusern stramm in der Luft standen. Aber nicht so stark, dass die Frisuren der Damen und Herren verweht wurden. Es war genau der richtige Wind. So, wie man es sich vorstellen würde, wenn man an Wind denkt. Es war eine gedachte, vorgestellte Welt. Séder. Eine klare Ordnung und Struktur. Harmonie. Er hörte aus einem Fenster einen Dreiklang von einem Klavier. Kosmos. Eine schöne, ordentliche und wohlgeordnete Welt. Er sah die schönen Frauen in ihren Blusen und Röcken. Die Männer in ihren Anzügen und Krawatten. Die Autos waren frisch poliert und stolz. Ein roter Porsche mit einem gewinnenden Lächeln. Er wusste, dass er auffiel. Er sonnte sich in seinem eigenen Glanz. Seine Felgen waren hochglanzpoliert. Selbst der Ruß am Auspuff wirkte erhaben.
Er selbst fiel nicht auf. Niemand wunderte sich über sein Aussehen. Sie sahen einen von ihnen. Sie konnten sein Leid nicht einmal wahrnehmen. Es war eine andere Welt, die sie nicht kannten. Und sie sahen nicht, was sie nicht kannten. Es war ein Mensch wie sie. Es dauerte nicht lange und er humpelte nicht mehr, sondern ging so gerade wie alle anderen. Irgendwann besorgte er sich frische Kleidung. Hier hatte jeder Geld. Es war nicht denkbar, keines zu haben. Irgendwann lebte er in einer Wohnung. Sie war geputzt, sauber, schick. Als er in einen Spiegel blickte, schienen seine Narben verheilt zu sein. Statt herunterhängender Haut, sah er nun eine glatt polierte Haut. Rein und sauber wie der rote Porsche. Er musste nichts tun, die Welt veränderte ihn von allein. Hier gab es kein Leid. Eine Welt, in der es kein Leid gab, konnte auch kein Leid wahrnehmen. Als ob er als leidender Mensch in einen Zeichentrickfilm kam. Eine gezeichnete Figur hatte kein Blut mehr. Die Hühnerkeule bestand aus reinem Fleisch und einem sauberen Knochen. Wie wenn schmerzende Worte in ein Bild fallen würden. Wenn es keine Worte gibt, werden auch keine Worte wahrgenommen. Das „W" wird zu einer Zickzacklinie, das „o" zu einem Kreis, das „r" sah als Bild wie ein Wasserhahn aus. Die schweren Worte werden zu fliegenden Bildern.
Und so lebte er in der heilen Welt. Er arbeitete wie jeder andere auch. Sogar noch etwas besser. Irgendwann hatte er eine Freundin, traf sich mit Freunden, ging abends zu Dinners und fuhr mit seinem Porsche durch die Stadt. Es war eine schöne Welt. Alles war in Ordnung. Aber er fühlte sich leer. Wie konnte er sich leer fühlen, obwohl er das volle Leben in vollen Zügen auskostete? Irgendwann versuchte er, die Hühnerkeule auf seinem Teller zu schmecken. Sie schmeckte nach der Vorstellung einer Hühnerkeule. Eine geschmacklose Vorstellung. Er berührte mit seiner Hand die Glasscheibe in seinem Büro. Sie fühlte sich kalt an. Ein wunderschöner Blick über die Stadt, aber das Gefühl von Einsamkeit. Seine Freundin, mit Bluse und Rock wie alle anderen Frauen in dieser Welt, holte ihn ab. Küsschen links, Küsschen rechts, mit dem Aufzug hinuntergefahren und hinaus auf die Straßen, auf denen der gleichmäßige Wind blies.
Die Fahnen wehten. Gerade und ordentlich wie immer. Die Sonne schien wie jeden Tag. Doch erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er die Sonne zwar sah, aber nicht spürte. Er blieb stehen und schloss die Augen. Schockiert stellte er fest, dass er die Sonnenstrahlen nicht spürte. Die Sonne schien. Sie sah aus wie die Sonne. Auf all den Selfies mit seiner Freundin hatten sie die Sonne hinter sich. Die aufgehende Sonne, die Mittagssonne, die untergehende Sonne. Aber er spürte die Sonne nicht. Existiert die Sonne, wenn man sie nicht spürt? „Komm schon“, drängelte seine Freundin, die zur Ausstellung gehen wollte. Zu weiteren Fassaden des Lebens. Hüllen, die sich mit Hüllen unterhielten. Nach Jahren, oder waren es Jahrzehnte, blickte er wieder auf die andere Seite. Auf die Seite der zerstörten Stadt seiner Kindheit. Er hatte sie vollkommen vergessen. Verdrängt. In dem hochglanzpolierten Magazin des Lebens war der Schmerz von früher nicht mehr präsent. Wie angenehm das war. Wie erleichternd. Wie schön war diese Vorstellung von Perfektion und einem wohlgeformten Leben. Und doch war es eine Vorstellung, die sich leer anfühlte.
Er verabschiedete sich nicht von seiner Freundin, sondern ging einfach. Vielleicht hatte es nie eine echte Verbindung gegeben. Sie drehte sich um, war kurz traurig und lernte bei der Ausstellung einen neuen Mann kennen. Und schon war sie glücklicher als je zuvor. Das Leben der Hüllen kannte keine echten Probleme. Verstört und orientierungslos ging er wieder in Richtung der zerstörten Stadt. Mit jedem Schritt bemerkte er, wie er sich veränderte. Der Wind war nicht mehr so kontinuierlich, es kamen eine kurze Böen, die seine Haare aus ihrer Ordnung brachten. Seine Kleidung wirkte nicht mehr straff und frisch gebügelt. Seine Haut ließ wieder seine Narben sichtbar werden. „Will ich wirklich weitergehen”, fragte er sich nachdenklich. Er warf einen kurzen Blick zurück zum Kosmos, zur wohlgeformten Welt. Doch es war nur ein Blick. Seine Füße gingen weiter. Wie damals, als sie aus dem Chaos gegangen waren.
Er ging den Weg hinauf. Vor ihm lag wieder die zerstörte Stadt. Heiß, zerrissen, verbrannt. Hinter ihm lag die kalte Ordnung, wohlgeformt und leer. Er drehte sich. Es war das erste Mal, dass er beide Welten gleichzeitig wahrnahm. Er kannte sie beide. Wie viele Jahrzehnte er in diesen unterschiedlichen Welten gelebt hatte. Wie unvorstellbar die jeweils andere war, während er sich in der einen befand. Er spürte, dass er in keiner der beiden Welten mehr leben wollte. Dass er in keiner von ihnen mehr leben konnte. Und doch waren sie ein Teil von ihm.
Er blickte nach vorne. Er atmete tief ein und aus. Das falsche Lächeln auf seiner linken Gesichtshälfte entspannte sich langsam. Die brennende Träne auf seiner rechten Wange versiegte. Und er ging los. Schritt für Schritt. Er ging auf dem schmalen Grat zwischen den Welten. Erschöpft. Einen Schritt nach dem anderen. Er spürte die Hitze auf der einen und die Kälte auf der anderen Seite. Beide hatten ihn geformt. Beide kannte er. Nur sich selbst kannte er noch nicht. Auf diesem Grat war er weder das eine noch das andere und gleichzeitig auch beides.
Es war das Gefühl von Ungewissheit. Manchmal verspürte er den Drang, in das Chaos oder den Kosmos zu fliehen. Doch er ahnte, dass etwas Neues entstehen wollte. Er wusste nur noch nicht, was. Er blickte auf die rechte Seite. Er erinnerte sich an all die Qualen, die er durchleben musste. Wie tief seine Traurigkeit und Einsamkeit in seiner Kindheit gewesen waren. Er blickte auf die linke Seite. Wie wenig er dort an Zerrissenheit litt. Aber wie wenig er sich selbst dort spürte. Wie kalt die Vorstellung der Sonne war.
Und er ging weiter. Vor ihm sah er die neue Sonne. Sie war angenehm. Sie brannte nicht wie die rechte Sonne, war aber auch nicht so kalt wie die vorgestellte linke Sonne. Er schloss die Augen und ging weiter. Er folgte seinem Gefühl. Es prickelte leicht in seinem Bauch. Es war ein neues Gefühl. Weder Schmerz noch Taubheit. Ein Kribbeln. Ein kleiner Samen der Pusteblume, der losflog. Er flog los, hinein in die Ungewissheit. Wo würde er wohl landen? Und zum ersten Mal in seinem Leben lächelte er. Wie die Kinder, die lächelnd auf die Pusteblume bliesen. Ein Lächeln, das ihn in eine neue Welt entsandte. Frei fliegend in eine ungewisse Zukunft.
Perspektive
Die Geschichte zeichnet die Seelenbiografie eines Mannes, der zwischen zwei totalen Welten lebt. Rechts das verbrannte Land der Verwundung, in dem Bomben nicht nur Häuser zerstörten, sondern auch die Möglichkeit von Zusammenhang selbst. Links die makellose Kulisse perfekter Ordnung, in der selbst die Sonne nur als Vorstellung existiert und Menschen zu Hüllen werden. Das Chaos seiner Kindheit trägt seine Geschichte und seine Lebendigkeit, so schmerzhaft sie auch ist. Der Kosmos seiner Erwachsenenwelt bot Schutz um den Preis des Selbstverlusts. Er erkennt, dass er in keiner dieser Welten mehr leben kann und doch beide ein Teil von ihm sind.
Der schmale Grat ist der einzig gangbare Weg und gleichzeitig der schwierigste. Hier gibt es keine Flucht mehr, weder in die totale Auflösung noch in die totale Kontrolle. Die Pusteblume durchzieht die Geschichte als kraftvolles Symbol. Ihre Samen fliegen ins Ungewisse, und genau darin liegt ihre Bestimmung. Sie lässt los, vertraut dem Wind und stirbt dabei einen kleinen Tod. Das ist die Bewegung, die der Wanderer vollzieht. Er lässt beide Welten los und begibt sich ins Ungewisse einer dritten Möglichkeit. Der Text ist eine Initiation in gelebte Ambivalenz.
Das Kribbeln im Bauch ist der erste Moment echter Lebendigkeit. Es ist weder der brennende Schmerz des Traumas noch die eisige Taubheit der Dissoziation, sondern das zarte Erwachen eines authentischen Selbst. Das Lächeln am Ende kommt aus dem Inneren, wie das Lächeln der Kinder bei der Pusteblume. Freiheit zeigt sich als Wärme, die nicht verbrennt, und als Klarheit, die nicht kühlt. Als leiser Atem, der Samen trägt. Er lächelt nicht, weil eine Welt gewonnen ist, sondern weil er den Mut fasst, den Grat zu bewohnen.

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