Der letzte Tag
- Lukas Zenk
- 9. Dez.
- 10 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 5 Tagen
(Musik: Danit, Cuatro Vientos)
Er stand auf, blickte verschlafen in den Spiegel, nahm die Zahnpasta, drehte den Verschluss auf, legte ihn zur Seite und nahm die Zahnbürste. Die einzelnen Borsten warteten auf die weiche Zahnpaste, die sanft auf sie aufgetragen wurde. Und schon schrubbten sie gekonnt über die Zähne. Vor, zurück, vor, zurück, von unten nach oben, von oben nach unten. Noch immer genauso, wie er es damals in der Schule gelernt hatte. Immer gut die Zähne putzen, damit er später keine Karies bekommt, klang ein Kinderlied durch seine Erinnerung. „Immer schön die Zähne putzen. Putze, putze, putze, putz. Sonst sind sie bald zu nichts mehr nutze. Putze, putze, putze, putz“. Eine gewohnte Bewegung. Er blickte in den Spiegel – wie immer. Doch dann stockte er kurz. „Warum putze ich mir jetzt noch die Zähne?”, fragte er sich verwundert. Er atmete tief ein und wieder aus. „Weil es sich angenehm anfühlt", beantwortete er seine eigene rhetorische Frage und putzte weiter.
„Ich habe mich dazu entschieden, 20 Prozent meines liquiden Kapitals in World-ETFs zu investieren“, hörte er seinen Freund beim Brunch sagen. Es war ein sonniger Sonntag, der letzte Tag der Woche, und sie sahen sich nach Monaten wieder. Sie kannten sich bereits seit Jahrzehnten, doch sie sahen sich nur selten. Sobald sie sich wieder trafen, entstand sofort das vertrauensvolle Gefühl tiefer Verbundenheit. Es war, als ob es gestern gewesen wäre, als sie gemeinsam studierten, romantische Abenteuer mit Studienkolleginnen erlebten oder völlig betrunken unter dem Sternenhimmel lagen. Wie viele Jahre das wohl her ist?
„Ich habe es mir ausgerechnet. Im Schnitt sollte der Betrag jedes Jahr um etwa sieben Prozent steigen. Wenn ich also in 20 Jahren in Pension gehe, dann habe ich einen guten finanziellen Polster, den ich mir jährlich auszahlen kann." Begeistert malte sein Freund die steigende Kurve in die Luft. Finanzielle Sicherheit war ihm schon immer wichtig. Schon damals meinte er, dass er erst ein Kind bekommen würde, wenn er 100.000 Euro auf dem Konto habe. Er hatte tatsächlich sehr viel gearbeitet und gespart. Als er den gewünschten Betrag erreicht hatte, zeugte er mit seiner damaligen Freundin ein Kind. Schon damals fand er den Vorgang seines Freundes eigentümlich, einer finanziellen Bedingung zu folgen, um ein neues Leben auf die Welt zu bringen. Bei ihm selbst war es anders gewesen. Bereits mit Anfang 20 hatte er sein erstes Kind bekommen. „Ein One-Night-Stand mit lebenslangen Folgen", wie er es damals beschrieb. Nach einigen schwierigen Jahren der Beziehungsarbeit trennten sie sich und er fand eine neue Freundin, die bereits zwei Kinder hatte. Er hatte immer das Gefühl, mehrere Kinder zu haben und gleichzeitig keine. Sein eigenes Kind sah er selten und gegenüber den anderen Kindern fühlte er sich nicht als deren Vater.
Sein Freund erzählte währenddessen weiter von seinen Plänen. „Vielleicht gehe ich dann auch schon in Frühpension. Warum sollte ich mein Leben lang schuften? Ich möchte schließlich auch noch eine Weltreise machen. Sobald die Kinder aus dem Haus sind und ich genügend Geld habe, geht es los. Natürlich werde ich sie vermissen, aber ich weiß jetzt schon, dass ich diese Zeit mein restliches Leben nicht vergessen werde.“ Mit strahlenden Augen trank der Visionär den letzten Schluck Kaffee aus. Wie selbstsicher er war. Es war schon jetzt klar, dass er sein Leben genau so gestalten würde. Wahrscheinlich hatte er sogar bereits einen Plan für seine Reisen erstellt. Seine Urlaube waren meistens spektakulär. Er tauchte auf den Malediven, wanderte am Kilimandscharo und segelte im Atlantik. Wenn er sich etwas vornahm, dann setzte er es auch genauso um. „Nächsten Sommer werden wir uns die Polarlichter ansehen. Ich habe schon so wunderschöne Videos dazu gesehen, es muss fantastisch sein.“
Er freute sich für seinen Freund, dass dieser schon jetzt seine Zukunft gestalten konnte. Wie glücklich man im Jetzt sein kann, wenn man sich eine schöne Zukunft ausmalt, dachte er sich und beobachtete das strahlende Gesicht seines früheren Studienkollegen. Er hatte ihn schon damals bewundert. Wie zielstrebig er sein Leben plante, mit wie viel Elan er seine Träume erfüllte, wie begeisterungsfähig er war. Sein Charakter wurde zu seiner Profession. Er gründete mehrere Start-ups, immer mit großen Visionen, die er manifestierte. Wie sourverän er gegenüber dem Leben stand. Er penetrierte das Leben mit seinen Träumen. Vielleicht ist er der psychologisch gesündeste Mensch der Welt, dachte er immer wieder.
Er selbst lebte sehr unterschiedlich. Er hatte nie große Visionen. Er nahm eher das, was zu ihm kam. Vielleicht begann er sein Studium wegen ihm. Er erinnerte sich noch daran, wie sein Freund ihm freudestrahlend von dem neuen Studiengang erzählte. Er dachte sich, dass das sinnvoll sein könnte. Nach dem Abschluss sah er auf einer Tafel ein Jobangebot für Produktentwicklungen und wurde genommen. Anschließend schlenderte er von einem Job zum nächsten. Es war, als ob er an einem Fluss säße und das nahm, was zu ihm getrieben wurde. War es ein kleines Blatt, das zu ihm schwamm, nahm er es und betrachtete es. Wie feingliedrig die Adern durch das verwelkte Blatt verliefen. Dann kam ein junger, abgebrochener Ast. Wer hatte den wohl in den Fluss geworfen? Und wenn nichts kam, blieb er sitzen. Ein Fluss war immer voll. Entweder war er entspannt, wenn er nur Wasser sah, oder neugierig, wenn er etwas entdecken konnte. Hätte sein Freund mit ihm am Ufer gesessen, hätte er wohl eine Reederei gegründet. Er hätte den Fluss gesehen und die Vision eines eigenen Hafens gehabt, von dem aus Güter und Personen zu anderen Orten transportiert werden. Er hätte alles aufgebaut. Für ihn würde dieser Hafen in der Zukunft bereits existieren, und er müsste nur noch die bereits geschriebenen Handlungen umsetzen. Seine Zukunft existierte bereits in der Gegenwart und war zumeist rosig.
„Und was hast du vor?“, fragte ihn sein Freund, während er ihm einen Tennisball vor die Füße legte. Mit wedelndem Schwanz wartete er nur darauf, dass er den Ball in die Hand nimmt und möglichst weit wirft, damit er ihn mit lautem Gebell holen kann. Nur damit er ihn wieder wirft und er ihn wieder holen kann. Werfen, holen, werfen, holen. „Ich habe keine konkreten Pläne für die Zukunft”, sagte er ruhig. Der Tennisball fiel zu Boden. Der Hund sah ihn enttäuscht und winselnd an. Warum lässt du den Ball fallen? Warum wirfst du mir den Ball nicht? „Aber du hast doch gesagt, dass du ein neues Jobangebot bekommen hast?" Mit seiner Nase stupste er den Ball näher zu seinen Füßen und wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz. „Ja, das klingt ganz spannend. Es geht um ein medizinisches Produkt, das in China bereits auf dem Markt ist. Es soll aber für Europa noch überarbeitet werden." Der Ball flog. Nicht besonders weit, aber weit genug, damit etwas Lebensenergie den freudigen Hund durchströmte. Sie redeten über Produkte und Märkte, Chancen und Risiken, globale Trends und die Zukunft. Er genoss die Zeit mit ihm. Es war diese Leichtigkeit. Ein optimistischer Blick ohne Grenzen und Schwermut. Er wollte genau diese Leichtigkeit noch genießen, bevor er ihm die Nachricht übermittelte.
Sie genossen ihren Brunch. Nachdem sie die ersten Speisen zu sich genommen hatten und sich langsam wieder Hunger einstellte, bestellten sie einen zweiten Kaffee. Es war einer dieser nicht enden wollender Tage. Ein sonniger Sonntag, ein gutes Ende der Woche. In den ersten Stunden beschnupperten sich die Hunde, bellten vor Freude, liefen durch die Wiese, holten Bälle, pinkelten an die Bäume in ihrem Umkreis und genossen die Sonne auf ihrem Fell. Irgendwann legten sie sich auf den Boden, hechelten mit ihren sabbernden Zungen und legten ihre Köpfe auf ihre Pfoten. Es war die Phase nach der ersten Wiedersehensfreude. Die Zeit, in der die wichtigsten Informationen und Neuigkeiten ausgetauscht wurden. Die Neuigkeiten, die im rationalen Bewusstsein gespeichert waren. Die Fotos der letzten Wochen, die bereits im Kalender notierten zukünftigen Termine. Der Alltag der Gespräche, das Abstimmen der Gefühle, die kleinen liebevollen Seitenhiebe, der gelebte Habitus alter Freundschaft, die Regression in frühere Zeiten, der Vergleich verschiedener Lebensmodelle und die Wertschätzung tiefer Begegnungen.
Es war ein kurzer Moment der Stille, als er seinem Freund in die Augen blickte. Ruhig, gelassen, wissend. „Ich werde sterben”, sagte er ihm nun. Er ließ die Wirkung seiner Worte entfalten. Wie eine klirrende Kälte traf sie die Ohren seines Gegenübers. Die Todeskälte gelangte in die Ohrmuschel, ein eiserner Schuss durchzog den Körper seines Freundes. Versteinert. Reglos. Es war, als hätte jemand in einem Video auf Pause gedrückt. Er sah all seine Zukunftsvisionen wie gefrorene Wasserskulpturen zerklirren. Sie zerbrachen und waren bereit, in den Boden der Vergangenheit zu zerfließen. Seine Augen starrten ihn ungläubig an. „Du wirst was?”, stockte er leise, fast hauchend.
Der Hund der plötzlich seinen Kopf in die Höhe riss, die Ohren aufrichtete, das Sabbern stoppte, um eine mögliche Gefahr zu entdecken. Bereit anzugreifen oder zu fliehen. Zu bellen oder sich zu verstecken. Der Moment der Entscheidung. Die Notwendigkeit, zu wissen, was gleich passieren könnte. „Ich hatte schon lange Migräne“, sprach er weiter. „Vor einiger Zeit haben die Ärzte dann die Ursache gefunden. Ein großer Hirntumor." Dem Freund schossen die Tränen in die Augen. Seine Hände zitterten. Es gibt Gespräche, auf die man sich nicht vorbereiten kann. Dem sonst so eloquenten Mann fehlten die Worte. Er wollte etwas sagen. Er suchte innerlich verzweifelt nach Optimismus. Nach Visionen, wie die Welt besser werden könnte. Doch alles, was er hervorbringen konnte, war ein leises Schluchzen. Er nahm die Hand seines Freundes. Nach mehreren Versuchen hauchte er leise: „Wie lange noch?”
Dem Freund ging durch den Kopf, was er mit dem Sterbenden noch alles machen wollte. Noch einmal in die Bar von früher gehen. Fotos und Videos von damals ansehen. Vielleicht könnten sie auch noch einmal wandern gehen, wovon sie schon seit Jahren reden. Aber vielleicht wollte er auch einfach bei seinen Kindern bleiben. Auf jeden Fall wollte er noch ein Fest für ihn veranstalten. Ein großes Fest, zu dem all seine Freunde, Bekannte und Verwandte kommen würden. Er würde das schönste Fest seines Lebens planen. Er sah wieder eine seiner Visionen. Er wusste genau, wen er anrufen würde. Vielleicht auch seine früheren Klassenfreunde, die er schon so lange nicht mehr gesehen hatte. Er würde eine große Torte besorgen. Wäre das fehl am Platz? Egal, es musste ein Fest geben. Er sollte noch einmal spüren, wie sehr er von allen geliebt wurde. Es sollte ein Feuerwerk geben, ein Video von seinem Leben, Grußkarten von allen Menschen, die ihn kannten, und er sollte im Mittelpunkt stehen und von allen Menschen umarmt werden. Er würde spüren, dass er allen wichtig ist. Oder bald wichtig war? Seine Gedanken konnten nicht mehr stillstehen. Er raste vor Ideen. Er hatte sich bereits alles durchdacht. So wie immer. Er war ein Zukunftsmensch. Wenn er noch ein Jahr zu leben hat, könnte er in den kommenden Monaten weniger arbeiten, um alles zu organisieren. Auf jeden Fall muss es ein gutes Essen geben. Da gibt es diesen renommierten Koch, den er einladen würde. Geld spielt keine Rolle. Für ihn wird er alles in die Wege leiten. Es wird das schönste Jahr seines Lebens werden.
„Es ist heute mein letzter Tag“, durchbrach er die Gedanken seines Freundes. Die zweite Eiszeit, die auch seine Zukunftsvisionen für den Abschied durchbrach. „Ich habe mich für ein selbstbestimmtes Sterben entschieden. Die Schmerzen werden sehr schnell stärker werden. Und ich will nicht qualvoll sterben. Morgen um 10 Uhr werde ich mich bei mir zu Hause verabschieden.” Eine kurze Pause. „Nein!”, schrie sein Freund plötzlich auf und schlug mit den Fäusten auf den Tisch. Das Geschirr wackelte, ein Teller zerbrach am Boden – so wie seine Hoffnungen für die Zukunft. Der Kaffee wurde umgeschüttet und vom Tischtuch wehmütig aufgesogen. Ein großer brauner Fleck wuchs. Das Restaurant erstarrte in einer plötzlichen Stille. Alle blickten auf den Mann, der mit Tränen in den Augen verzweifelt und angsterfüllt auf seinen Tischnachbarn blickte. Seine Hände verkrampften sich um die Servietten – ein hoffnungsloser Versuch, Halt in der Verzweiflung zu finden. Der geschlagene Hund mit eingezogenen Schwanz, winselnd vor Angst und knurrend gegenüber der Nichtakzeptanz des Seins. Nur die Lieder im Hintergrund des Restaurants waren zu hören. Ein Kellner kam vorsichtig vorbei. Er nahm die Teile der zerbrochenen Träume und warf sie Stück für Stück in den Mülleimer. Alles ist vergänglich. Langsam wandten die Leute den Blick wieder ab. Wegsehen vor Schmerz und Tod ist ein gesellschaftlich akzeptiertes Vorgehen.
„Das kannst du nicht machen“, stöhnte sein Freund leise. Dieser erwiderte seine Angst ohne Worte und lächelte beruhigend. Die Reederei wurde von einem Tsunami weggespült. Und mitten in der Flut versucht sein Freund, einen Staudamm zu errichten. Stein für Stein. Er sah wieder eine Vision. Ein Staudamm könnte alles retten. Der Fluss muss gestoppt werden. Es darf nicht sein. Es kann nicht sein. Er wird nicht aufgeben. Er kann nicht aufgeben. Er kann ihn nicht gehen lassen. „Ich habe bis heute niemandem etwas davon gesagt. Ich wollte in meiner letzten Zeit einfach ein normales Leben führen. Und das war schön." Sein Freund sah seinen halberrichteten Staudamm, doch hinter ihm schwamm der Sterbende bereits davon. Der Mann, der immer das aus dem Fluss nahm, was angespült wurde. Und jetzt? Jetzt wurde er selbst weggespült und nahm es hin. Der Fluss gab und nahm. „Ich würde mich freuen, wenn du mich morgen zusammen mit einem kleinen Kreis von Freunden und meiner Familie begleiten würdest."
Und so standen seine Liebsten am Montag, dem ersten Tag der Woche, um sein Sterbebett. Sein letztes Wort war ein Danke an alle Anwesenden. Dann nahm er selbst das vorbereitete Medikament und schloss die Augen. Er sah aus, als ob er tief schlief. Friedvoll. Erst am Vortag hatten alle davon erfahren. Er hatte einfach sein Leben weitergelebt. Er hatte nichts geändert. War er glücklich gewesen? Er hatte sein Leben akzeptiert. Er hatte das aus dem Lebensfluss genommen, was gekommen war. Weder erleuchtet noch verbittert. Es war ein ruhiges Gedenken. Keine großen Reden, keine Fotos. Es war keine Zeit für eine Vorbereitung gewesen. Wie die meisten Lebewesen kam er auf diese Welt und ging wieder. Ohne Anspruch auf Ewigkeit. Ein Baum, der wuchs und wieder starb. Ein Fluss, der nie aufhörte zu fließen und ewig war und nicht war.
Die Anwesenden umarmten sich leise. Nur sein Freund war noch bleich. Nicht einmal ein Buffet konnte organisiert werden. Sie aßen in einem Restaurant nahe seiner Wohnung. Sie blickten einander an. Sie sprachen freundlich über ihn. Sie lebten einfach. Vielleicht war es genauso, wie er sich seinen letzten Tag gewünscht hatte.
Perspektive
Diese Erzählung ist eine dichte Parabel über zwei grundverschiedene Lebenshaltungen im Angesicht der Endlichkeit. Im Zentrum stehen zwei alte Freunde, die in völlig unterschiedlichen Rhythmen leben. Der eine verfolgt klare Ziele, plant vorausschauend und investiert gezielt in seine Zukunft. Sein Leben gleicht einer Reederei, die bewusst gesteuert wird. Der andere lebt wie im Fluss, ohne starre Pläne, offen für das, was kommt. Die morgendliche Zahnputzszene wird zur leisen Meditation über das Verweilen im Moment, während der Freund bereits seine Pensionsvisionen in die Luft malt und die nächsten zwanzig Jahre durchkalkuliert hat.
Der Fluss steht für das Annehmen des Lebens, wie es sich zeigt, für Gegenwärtigkeit und die Bereitschaft zum Loslassen. Die Reederei dagegen symbolisiert Kontrolle und den Versuch, den Lebensfluss aktiv zu steuern. Als ein Tsunami diese Reederei zerstört, wird deutlich, dass selbst die bestgeplanten Lebensentwürfe von der Macht des Unvorhersehbaren hinweggefegt werden. Der Versuch des planenden Freundes, den nahenden Tod aufzuhalten, gleicht dem Bau eines Staudamms gegen eine unaufhaltsame Flut. Auch das Bild des Hundes mit dem Ball verdeutlicht den Kontrast. Während der eine ungeduldig auf den Wurf wartet, bleibt der andere ruhig und entscheidet selbst, ob und wann der Ball fliegt. Die gefrorenen Wasserskulpturen der Zukunftsvisionen zerklirren im Moment der Todesnachricht.
Die Geschichte dekonstruiert den westlichen Mythos von Erfolg und Planung. Der Freund, der scheinbar alles hat (Geld, Pläne, Gesundheit), ist psychisch fragiler als der todgeweihte Protagonist. Letzterer stirbt, wie er gelebt hat, im Einklang mit dem Fluss, ohne Widerstand. Der Tod wird hier nicht als Fehler im System dargestellt, sondern als organischer Abschluss eines Zyklus. Das unspektakuläre Ende – kein Buffet, keine großen Reden, nur ein einfaches Essen – ist der ultimative Triumph des Echten über das Inszenierte. Es bleibt die stille Erkenntnis, dass wir das Leben nicht besitzen, sondern nur eine Zeit lang von ihm durchströmt werden.

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