Das Hamsterrad
- Lukas Zenk
- 9. Dez.
- 11 Min. Lesezeit
Er spürte die Bewegungen seines Mundes. Er ging auf und zu, begleitet von den Vibrationen seiner Stimmbänder, die durch gezielte Atemzüge in Schwingung versetzt wurden. Die Laute verdichteten sich zu Worten und Sätzen, die durch den Raum schallten. Es war alles so eingeplant und klar. Sein Körper funktionierte unabhängig von seinem Geist. Wie automatisiert bildete sich ein verbalisierter Gedanke nach dem anderen. Erstaunt musste er feststellen, dass er sich sogar über diesen mentalen Prozess wundern konnte, ohne dass der Redefluss beeinträchtigt wurde. „Schon mit 21 Jahren wurde mir klar, dass Upscaling die einzige Möglichkeit ist, um langfristigen Impact auf globaler Ebene zu erreichen“, erklärte er mit professioneller Stimme. Wie klar und präzise seine Formulierungen waren. Logisch aufgebaute Argumente, Geschichten, die er bildlich beschrieb, und zielgerichtete Botschaften an sein Gegenüber.
Er war wie ein Jäger mit einem Präzisionsgewehr. Selbst im Dschungel hatte er die volle Kontrolle über all seine Handlungen. Er hörte das leiseste Knacken eines Astes und wusste genau, wohin er seine Aufmerksamkeit richten musste. Mit einer blitzschnellen Bewegung drehte er sich um, atmete ruhig und sein Blutdruck blieb unverändert, während er sich konzentriert dem Bild im Visier widmete. Er sah noch das Staunen in den dunklen Augen des Rehs, dann den Schock und schließlich die endgültige Entspannung. Ein perfekt platzierter Schuss durch die Schläfen – das Reh war tot, bevor es etwas spüren konnte, und sackte zusammen. Er ging routiniert zu seinem erlegten Wild. Die Wildheit, die er mit Kontrolle erlegt hatte. Das Leben, das er beendet hatte, um sein eigenes Leben weiterzuführen. So wie das Feuer, das ständig weiteres Holz benötigte, um weiterzubrennen. Es musste weitermachen, um nicht zugrunde zu gehen. Feuer produzierte Feuer. Je mehr Feuer entstand, desto mehr wollte entstehen. Das brennende Holz war die Nahrung für das Feuer. Er war Feuer.
„An diesem Tag lernte ich, nach vorne und nicht zurückzublicken. Die Aktienkurse waren so niedrig wie die Hoffnungen der Investoren. Mir war klar, dass es für mich nur einen logischen Schritt gab. Antizyklische Handlungen - auf das Schiff zu steigen, wenn es droht unterzugehen.“ Er sprach bereits seit über zwei Stunden mit seinem Ghostwriter über seine Autobiografie. Dieser stellte ihm genau die richtigen Fragen, sodass er seine Gedanken über die Vergangenheit wie aus einer Wasserquelle sprudeln lassen konnte. Er wollte seine verschriftlichte Biografie zu seinem 60. Geburtstag vor seinen Gästen präsentieren. Seine Karriere im Konzern hatte einen steilen Aufstieg genommen. Sein Vater wäre stolz auf ihn gewesen. „Schau ma mal, ob aus dem Buam no wos G'scheits wird”, hörte er diesen oft in seinem Inneren sagen. Während sein Vater auf einen Baum geklettert war, war er auf dem Mond gelandet. Er lächelte triumphierend, als er diesen Gedanken hatte. Im Gegensatz zu seinem Vater hatte er tatsächlich etwas erreicht und nicht nur sein Leben gelebt. Er erinnerte sich daran, wie er seinem Vater die Forbes-Ausgabe mit seinem Bild auf dem Cover auf den Tisch gelegt hatte – sein Vater kannte das Magazin nicht einmal. Was wollte er ihm eigentlich noch beweisen? Er schüttelte abweisend den Kopf, während er seine nächsten Gedanken formulierte. Im Vorstand konnte er endlich die Entscheidungen treffen, die er für die Firma für notwendig erachtete. Er wollte klare Ziele für die Zukunft festlegen, statt in der Vergangenheit zu verharren.
Doch seine Gedanken kamen ihm leer vor. Er fühlte sich wie bei einem Referat in der Volksschule, in dem er über Schneeglöckchen berichtete. Er hatte das Thema gut ausgearbeitet und erzählte jedes Detail dieser Blume, doch es berührte ihn kein bisschen. Er hatte das Thema gewählt, weil er zufällig davor genau so eine Blume am Straßenrand gesehen hatte. Der Vortrag war exzellent. Mit Fakten unterlegt und biologisch korrekt formuliert. Doch damals war es ihm einfach gleichgültig. Es war eine Blume wie viele andere auch. Er hätte ebenso gut über die Entstehung von Rost, die Verdauung von Kühen oder die Lebensphasen von Sternen erzählen können. Es hatte keinen Bezug zu seinen inneren Werten oder Bedürfnissen. Es wurden Fakten recherchiert, neue Bezüge hergestellt und schlussendlich klare Schlussfolgerungen gezogen. So wie in seiner Firma. Er wollte einen Job haben und bewarb sich. Die Entscheidung war so belanglos wie die Auswahl des Schneeglöckchens. Er hätte auch jede andere Firma auswählen können. Er stellte sich einen Hamster vor, der sich bewegen wollte. In seinem eigenen Käfig gefangen, lief er einfach zum nächsten Hamsterrad. Als er eines entdeckte, stieg er ein und begann zu laufen. So wählte er die Firma als sein Hamsterrad, in dem er laufen konnte. Im Nachhinein wurde es ein schönes Hamsterrad. Es war golden verziert, gut geschmiert und erzeugte ein ständiges, leises Surren, wenn es sich drehte. Er war es, der es drehte.
„Jedes Quartal standen wir vor der Herausforderung, die Umsätze und vor allem die Gewinne des vorherigen Quartals zu steigern. Und das auch während einer Rezession, was die Sache noch schwieriger machte.“ Da fiel es ihm wieder ein. Er erinnerte sich daran, wie er mit zehn Jahren seinen Hamster dabei beobachtete, wie dieser täglich wieder in das Hamsterrad stieg. Wie sich dieses kleine Tier so sehr abmühte, um vorwärtszukommen! Schnaufend auf diesem Rad, den Rücken durchgestreckt, benutzte es seine ganze Lebensenergie, um das Rad der Zeit in Gang zu halten. „Warum bemühst du dich denn so?“, hatte er damals seinen kleinen Hamster gefragt. „Komm her, ruh dich aus. Ich kuschel mit dir.“ Wie oft wollte er das Tier zärtlich streicheln. Aber es wollte immer nur weiterlaufen. Selbst als er es auf den Händen trug, lief es von einer Hand zur anderen und erschuf sich so das nächste Hamsterrad. Immer weiter und immer weiter. Und jedes Mal, wenn er ihm Futter gab, stopfte es sich die Bäckchen voll und brachte die Körner in sein Häuschen. Es war immer viel zu viel Futter vorhanden. Trotzdem sammelte der Hamster Tag für Tag neues Futter und rannte weiter. Der Junge stellte sich das kleine Wesen vermenschlicht vor. Wie entspannt er sein Leben führen könnte. Er lag auf einer bequemen Sonnenliege, trug eine lässige Sonnenbrille und trank einen kleinen Früchtecocktail. Wenn er den Jungen sah, prostete er ihm zu und bedankte sich für die Nahrung und die Getränke. Anstelle eines Hamsterrads befand sich ein Pool in seinem Käfig. Er hortete keine Nahrung, da er wusste, dass immer genug zum Überleben vorhanden war. Selbst der Käfig war offen – wohin sollte er auch gehen? Es war ein perfektes Leben.
Während das Interview fortgesetzt wurde, "... und mit dem Börsengang war uns dann klar ...", liefen ihm kalte Schauer über den Rücken. Was hatte er in den letzten 40 Jahren tatsächlich getan? Es war wie eine Achterbahnfahrt, als er einen Ritt in seine Vergangenheit begann. All die Abende, an denen er noch die Budgetzahlen analysierte. Die endlosen Meetings in feinem Anzug und blauer Krawatte. Millionen von E-Mails, die er in seiner Laufbahn erhielt und zumindest größtenteils beantwortete. All die Gedanken, die ihn beim Einschlafen begleiteten, nur um sie am nächsten Morgen als erste Gedanken wiederzusehen. Er sah seine zusammengebissenen Zähne, seinen nach vorne gerichteten Blick, die Zielstrebigkeit, die ihn eher zu einem Schnellzug als zu einem Menschen machte. Mit atemberaubender Geschwindigkeit, die ihm den Atem zum Leben raubte, lief er in seinem Hamsterrad und glaubte, vorwärtszuschreiten. Doch jetzt, da er seine Biografie schreiben wollte, fühlte sich all das so leer an. Was davon war ihm persönlich tatsächlich wichtig gewesen? Im Rausch des Erfolgs spürte er nur die Taubheit in seinem Herzen. Ein kleines inneres Kind begann in ihm zu weinen und er erschrak, als hätte er seinen eigenen Tod gesehen. Der Hamster im Hamsterrad blickte zum ersten Mal nicht vorwärts, sondern seitwärts. Direkt in die Augen des Kindes, das ihn so unschuldig ansah. Er hörte das Kind zum ersten Mal fragen: „Warum bemühst du dich denn so?”
Tausend Hamstergedanken schossen ihm durch den Kopf, um die Frage eloquent zu beantworten, doch sein Herz war schneller. Er lief zum ersten Mal in seinem Leben langsamer. Ein Hamster, der immer nur gelaufen war, wurde plötzlich langsamer, bis das Rad zum Stillstand kam. Das Surren des Erfolgs erlosch in der Dunkelheit der Ruhe. Das kleine Tier blickte in die großen Augen des Jungen. „Weil, weil ...“, stammelte der kleine Hamster und brachte keine überzeugende Antwort zustande. Noch während er mühsam nach einer Antwort suchte, nahm das Kind ihn zärtlich auf die Hand. Er spürte diese warme, große, fürsorgliche Hand zum ersten Mal. Seine kleinen Pfötchen hatten nicht mehr das Bedürfnis, weiterzulaufen. Die kleinen Hamsterzehen genossen erstmalig die Luft, die sich an sie schmiegte, während sie ruhig baumeln durften. Der Junge lächelte ihn an, strich ihm zärtlich über die Stirn, die Ohren und den Rücken. Sein weiches Fell streckte sich nach dieser wohlwollenden Nähe und seine schwarzen Glubschaugen hätten vor Rührung am liebsten geweint. Der kleine Hamster wollte zum ersten Mal nirgendwohin. Er wollte nur im Augenblick sein, in der warmen Hand des liebevollen inneren Kindes. Dieses Gefühl richtete sich nun auf das Leben des Managers, das plötzlich so karg wirkte. Er errichtete eine Pyramide nach der anderen, doch nirgends war ein Tropfen Wasser des Lebens zu sehen. Die in den Pyramiden aufbewahrten Mumien waren ausgetrocknet und dürsteten nach einer Wasser. „Ich habe nie gelebt”, schoss ihm plötzlich durch den Kopf. Auf seiner inneren Reise stand er ganz oben auf der Pyramide und blickte sehnsüchtig nach der nächsten Oase, nach einer Regenwolke, nach Wasser, das ihm ein wenig Leben schenken würde. Doch er spürte nur den Tod unter sich, begraben unter Tonnen von Steinblöcken. So weit war er gekommen, nur um schlussendlich selbst zu einer dieser Mumien zu werden. Tote Menschen, denen das Gehirn entfernt worden war. Feine Öle, die ihre Haut umspannten. All das nur, um in einer für die Ewigkeit geschaffenen Pyramide länger lebendig auszusehen. Doch das Leben ist nicht für die Ewigkeit geschaffen worden. Wandel, Wachstum, Entstehung und Vergehen sind die dynamischen Elemente des Lebens – nicht Stillstand, ewiges Wachstum oder eine niemals endende Gier, die Hamsterbacken noch voller stopfen zu wollen, wenn bereits zu viel Nahrung vorhanden war.
Ihm wurde unglaublich kalt. „Ich habe mein Leben verschwendet“, schoss es ihm durch den Kopf. „Ich habe nur mein eigenes Pyramidengrab gebaut“, hörte er in seinem Herzen. „Ich habe den Satz meines Vaters völlig missverstanden. Bin ich jetzt komplett wahnsinnig geworden?“, fragte er sich innerlich und hörte sich gleichzeitig im Außen sagen: „... und mit diesem Merger hatten wir endlich unser Ziel erreicht.“ Seine letzten Worte klangen nicht mehr so selbstsicher wie zuvor. Er bemerkte, dass er während des gesamten Interviews keinen einzigen Schluck Wasser getrunken hatte. Er nahm das Glas in die Hand und schaute es verängstigt an. Es war die ganze Zeit über neben ihm gestanden. Während seines ganzen Lebens hätte er nur einmal die Hand ausstrecken müssen. Es hatte ihm ständig zugelächelt, aber der richtige Zeitpunkt war nie gekommen. Noch einen Satz, noch einen Gedanken, noch ein weiteres Quartal. Er führte das Glas zu seinen Lippen und trank zum ersten Mal seit Jahrzehnten von dem Lebenselixier. Wie lebendig es schmeckte, als es verspielt seinen rauen, sandigen Hals hinunterrann, in seinen Magen gelangte und er die innere Kühle spürte. Er sah förmlich, wie es sich in seinem Körper verteilte und durch seine Blutbahnen strömte. Es war wie ein plötzliches Gewitter, das den Regen entstehen ließ. Das kühle Nass floss über den Körper des Menschen, der noch immer auf der Spitze der Pyramide stand. Wie lange er darauf gewartet hatte. Wie viele Steinblöcke er tagtäglich getragen hatte, um dieses trockene Meisterwerk zu errichten, auf dem er nun verdurstete.
Während er auf der Pyramide stand, streckte er gierig die Zunge aus und richtete den Kopf zur Wolke, um jeden Wassertropfen zu erhaschen. Es fühlte sich herrlich an, wieder zu leben. Doch statt es zu genießen, füllten sich wieder seine Hamsterbacken. Er wollte noch mehr Wasser, das beste Wasser der Welt. In seinem Kopf begannen wieder Visionen zu entstehen. Er würde die größten Wasserbecken und die schönsten Wasserpaläste der Welt errichten, um das Leben in vollen Zügen zu genießen. Er wollte alles haben. Der Hamster kam wieder in Bewegung. Kurz zuvor hatte er es noch genossen, in der Hand des Jungen zu liegen, doch schon begannen sich wieder seine kleinen Pfötchen zu bewegen. Er lief von einer Hand zur nächsten. Irgendwann musste der Junge ihn absetzen – traurig, weil er ihn nicht mehr zärtlich streicheln konnte. Der Hamster lief zielstrebig zu seinem Hamsterrad, das sich ewig drehen wollte. Zunächst würde er all das Wasser aus den Wolken in großen Speichern sammeln und aufbereiten, um dann Rohre über die ganze Welt auslegen zu lassen. Jeder sollte das beste Wasser aus den Regenwolken erhalten. Er würde eine völlig neue Firma aufbauen, die noch größer war als die zuvor. Und der Hamster strampelte wieder wie früher. Er sah sich auf der Spitze der Pyramide, die Hände in den Himmel zeigend. Er war durchtränkt von Wasser, das nicht mehr die Grundidee des Lebens darstellte, sondern die nächste Ressource war, die es zu sammeln galt. Kurz nachdem er in seinem Größenwahn über die nächsten Entwicklungen laut auflachte, schlug ein Blitz ein. Plötzlich. Kraftvoll. Unerwartet. Mit einer solchen Heftigkeit, dass sein Körper sofort zu Asche verbrannte. Er starb, bevor er noch etwas fühlen konnte. Wie das Reh, dessen Augen sich nur kurz weiteten, bevor es starb. Erlegt vom eigenen Jagdtrieb.
„Schnell, wir brauchen einen Krankenwagen!“, rief der Ghostwriter, der Schreiber des Geistes, noch über den leblosen Körper hinweg. Der Defibrillator ließ den Körper immer wieder zucken. Ein Schlag nach dem anderen durchfuhr ihn. Doch er war schon längst in der Pyramide angekommen. Tief drinnen, unter Tonnen von Steinblöcken. So gerne hätte er für die Ewigkeit gelebt. Doch am Ende wurde er in einem Sarg in die Erde gehoben. Einem Sarg aus Holz, der vergehen wird. Sein Körper, der zu Erde wird. Gefressen von Würmern und Asseln, verging auch sein Wunsch nach Ewigkeit. Und die Ewigkeit des Wandels nahm ihren Lauf.
Perspektive
Diese Geschichte erzählt vom Tod eines Mannes, der bereits längst gestorben war. Der Protagonist beobachtet sich selbst beim Sprechen, als wäre er Zuschauer seines eigenen Lebens. Sein Körper funktioniert ohne seinen Geist, die Worte über Upscaling und Impact laufen wie ein Programm ab. Die Jagdszene entpuppt sich dabei als düstere Vorausdeutung. Der Mann ist zugleich Jäger und Gejagter, getrieben von einem unstillbaren Hunger, der sich selbst nähren muss. Das Feuer, das immer mehr Holz benötigt, die endlosen Quartale, die gesteigert werden müssen – das ist ein System ohne inhärenten Sinn, das nur seine eigene Fortsetzung zum Ziel hat. Das Reh mit dem Schock in den Augen ist er selbst. Er hat sich erschossen, professionell und ohne es zu bemerken. Der Sohn hat sein Leben damit verbracht, jemandem etwas zu beweisen, der vielleicht gar keine solchen Beweise verlangt hat. Die Forbes-Ausgabe auf dem Tisch des Vaters, der nicht weiß, was Forbes ist, enthält die ganze Tragödie. Das Schneeglöckchen-Referat zeigt Exzellenz ohne Bezug, Perfektion ohne Bedeutung. Ein Leben, das niemals gewählt wurde, weil niemand da war, der hätte wählen können.
Wenn das Rad zum Stillstand kommt und das innere Kind fragt: „Warum bemühst du dich denn so?”, gibt es keine Antwort. Die Hand des Kindes, die Wärme, das Streicheln, die Erlaubnis, einfach zu sein – das ist ein kurzer, radikal weicher Moment. In ihm steckt eine ganze verpasste Biografie. Der Mann steht auf der Spitze seiner Errungenschaften und erkennt, dass er verdurstet ist. Das Wasser des Lebens stand die ganze Zeit neben ihm, doch er hat nie inne gehalten, um zu trinken. Als er das Glas endlich zu seinen Lippen führt, ist es eine Offenbarung. So einfach wäre es gewesen, lebendig zu sein. Doch die Erlösung währt nur kurz. Anstatt das Leben zu genießen, plant er bereits die nächste Kontrollstruktur. Wasserpaläste, globale Rohrsysteme. Der Hamster springt zurück ins Rad. Selbst die Erkenntnis wird sofort zum nächsten Projekt.
Der Blitzschlag ist die logische Konsequenz. Er wird vom eigenen Jagdtrieb erlegt, genauso wie das Reh am Anfang. Die Szene schließt den Kreis. Der Tod kommt plötzlich, bevor er etwas fühlen kann. Ein Gnadenakt und eine Tragödie zugleich, denn die Chance zur Umkehr wurde verspielt. Der Mann, der nach Ewigkeit strebte, nach ewigem Wachstum und unvergänglichen Pyramiden, wird in einem vergänglichen Holzsarg begraben. Sein Körper wird zu Erde und von Würmern gefressen. Die tatsächliche Ewigkeit ist nicht die des Stillstands, sondern die des Wandels, des Entstehens und Vergehens. Der Text konfrontiert den Leser radikal mit einem Leben, das nie wirklich gelebt wurde. Am Ende steht die Erkenntnis, dass wahres Leben nicht in der Anhäufung, sondern in der Fähigkeit liegt, präsent zu sein, sich berühren zu lassen und das Wasser zu trinken, das neben einem steht. Doch diese Erkenntnis kommt zu spät. Oder sie kommt im richtigen Moment, wird aber nicht angenommen, weil das alte Muster zu stark ist. Das ist keine Warnung. Es ist ein Requiem.

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